Über den Pferdekopf in 79 Meter Höhe geht es auf dem berühmten Heidschnuckenweg Richtung Süden, noch ein Blick über die Heideflächen des Büsenbachtals und die Wanderer tauchen wenige hundert Meter weiter ein ins tiefe Grün. Heidelbeeren überziehen den Waldboden, wie Finger ragen die mehrstammigen knorrigen Eichen in Richtung Himmel. Hier ist es so ganz anders als in Fichtenwäldern mit ihrer neurotischen Ordnung. Und doch: Auch im Krattwald wurden Bäume einst angepflanzt, um abgeerntet zu werden.
Der Hengsthoop, wie das Waldgebiet von HAMBURG WASSER zwischen den kleinen Heidedörfern Wörme und Handeloh seit vielen hundert Jahren genannt wird, gehört ab dem 1. Juli 2024 zum neuen, 215 Hektar großen Naturschutzgebiet „Büsenbachtal und Wörmer Wälder“. Der Hengsthoop zählt zum größten und am besten erhaltenen Bestand historischer Kratt- und Hudewälder im Landkreis Harburg. Mit seinen alten Bäumen bietet er eine besonders hohe Artenvielfalt und ist Heimat zum Beispiel für den gefährdeten Hirschkäfer. Naturschutzexperten vermuten aber auch andere seltene Käfer dort – so selten, dass sie allenfalls wissenschaftliche Namen haben.
Nachhaltige Waldwirtschaft, die Grundwasser und Artenvielfalt schützt
Für die Grundwasserneubildung sind Laubwälder wie der Hengsthoop besonders wichtig: Im Vergleich zu Forsten mit Nadelbäumen stellen sie die optimale Waldform dar. In Laubwäldern verdunstet beispielsweise deutlich weniger Wasser als in reinen Nadelkulturen. Weil die Bäume im Winter kein Laub tragen, fällt der Regen direkt auf den Boden. Im Sommer verhindert der schattige Laubwald die Entstehung von schwammartigen Grasflächen. Laubbäume haben außerdem oft ein tiefes und weit verzweigtes Wurzelsystem, das Wasser aus tieferen Bodenschichten aufnehmen kann und die Bodenstruktur durch Wurzelaktivität verbessert. Dies fördert die Bildung von Makroporen, die die Wasserinfiltration unterstützen.
Krattwälder entstanden im Mittelalter durch die sogenannte Niederwaldwirtschaft. Armin Hirt, Abteilung Umwelt vom Landkreis Harburg, erklärt: „Hier kann man wunderbar sehen, wie nachhaltig früher die Wälder genutzt wurden.“ Die Bäume wurden in regelmäßigen Abständen, etwa alle zehn bis zwanzig Jahre, bodennah abgesägt, um das Nachwachsen neuer Triebe zu fördern. Diese Triebe wurden dann erneut geerntet – aber immer nur an vereinzelten Bäumen und niemals als Kahlschläge. Nur in bestimmten Zeiträumen wurde Vieh in den Wald getrieben, damit es dort sein Futter suchen konnte. „Den Wald und auch den einzelnen Baum nie ganz abzuholzen, sondern immer wieder nachwachsen zu lassen, förderte die Biodiversität und schuf wertvolle Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten.“
Umgeben von einem alten Wall
Die Heide in der Nachbarschaft des Hengsthoops entstand aus der Rodung der Mischwälder, um Acker- und Weideland sowie Bau- und Brennholz zu gewinnen. Die jetzt unter Naturschutz gestellten Flächen Hengsthoop und das benachbarte Riepen blieben aber erhalten, ihre Ursprünge reichen vermutlich bis in die letzte Eiszeit zurück.
Um die Wälder vor den Heidschnucken zu schützen, umgab das Gehege ein etwa einen Meter hoher Wall, bepflanzt mit Dornenbüschen und anderen sehr dichten Gewächsen. Auf alten Karten der Kurhannoverschen Landesaufnahme aus den 1770er-Jahren ist der 4,5 Kilometer lange Wall bereits eingezeichnet. Wanderer bemerkten bis vor Kurzem davon allenfalls eine kleine hügelige Erhöhung auf dem Weg. Nun aber wurde der Wall in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Museum Hamburg auf einem etwa zwanzig Meter langen Stück wiederhergestellt. „Die alte Kulturgeschichte wird so erlebbar gemacht“, sagt Armin Hirt.
Später soll ein kleiner Steg über den Wall führen, hinein in die Vergangenheit. Überlieferungen zufolge diente der Hengsthoop den Bewohnern der Heidedörfer als Thing für Volks- und Gerichtsversammlungen. Ob die kleine Anhöhe, wie der Name vermuten lässt, auch als Henkersplatz genutzt wurde, darüber gibt es allenfalls Erzählungen, weitergetragen von Mund zu Mund über viele Generationen.